
Bis zum Ende des 15. beziehungsweise zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatten die am Niederrhein residierenden Herzöge von Jülich-Kleve-Berg ihre Grafschaft Ravensberg an lokale Adlige verpfändet. Zunehmend äußerte sich jedoch Unmut aufgrund dieser Konstellation, da die Pfandherren ihre Befugnisse häufig drastisch überschritten. Deshalb lösten die Herzöge die Pfandverträge nach und nach auf. An die Stelle der Pfandherren traten in landesherrlichen Diensten stehende Amtleute und weitere Beamte. Sie mussten sich an herzogliche Regeln und Verordnungen halten. Allmählich entwickelte sich ein eigener Verwaltungsapparat für die Grafschaft Ravensberg. Und es entstanden vier Verwaltungsbezirke, die sogenannten Ämter, die sich um die vier Landesburgen Limberg im Norden, Vlotho im Osten, Sparrenberg im Zentrum und im Süden sowie Ravensberg im Westen gruppierten.
Ab und an reisten herzogliche Räte aus Düsseldorf ins entfernte Ravensberg, um die dortige Lage zu inspizieren. 1535 kam Herzog Johann (1490–1539) – der als „der Friedfertige“ in die Geschichtsbücher einging – persönlich in seine Grafschaft, um nach dem Rechten zu sehen. Und er wollte wissen, über welche Rechte und Besitzungen er eigentlich genau verfügte. Denn einen exakten Überblick über die landesherrlichen Befugnisse und Gerechtsame besaß niemand. Mehr als zwei Jahrzehnte forschten und recherchierten seine Beamten, interviewten Untertanen und lokale Amtsträger. Am Ende hatten sie Tausende Bögen Papier beschrieben – und dem Herzog ein wichtiges Dokument präsentiert: das „Ravensberger Urbar“ von 1556. Es enthält Aufzeichnungen über alle zur Grafschaft Ravensberg gehörigen Bauerschaften und Untertanen. Das Urbar markiert somit eine Epochenwende, als die im fernen Düsseldorf residierenden Landesherren einen verstärkten Blick auf ihre Grafschaft Ravensberg warfen und versuchten, alle Teile ihres Territoriums zu durchdringen und zu erfassen. Und zugleich kündet diese Entwicklung von einem tiefgreifenden Wandel des Herrschaftssystems, als Amtleute an die Stelle der Pfandherren traten.
Dieses Modell zeigt eine Rekonstruktion der Burg Ravensberg vor dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618)
In den 1550er-Jahren bereisten Beamte des Landesherrn die Grafschaft. Unter anderem interessierten sie sich für den Zustand der landesherrlichen Burgen. Ihr Urteil fiel teils vernichtend aus: Die einst mächtigen Festungen befanden sich in einem schlechten Zustand. Gesprochen von Mark Ortmann.